Artikel online Artikel online

Review: Simon the Sorceror 2

Text: Nico Barbat

Von kleinen Zauberern und magischen Kleiderschränken...

Auf der Home Electronics World im November 1999 überraschte e.p.i.c. interactive entertainment - damals nannte sich das Tübinger Unternehmen noch Epic Marketing - die Amiga-interessierte Öffentlichkeit mit einer frühen Amiga-Demoversion von Simon the Sorceror 2, dessen erster Teil zum Jahreswechsel 1993/1994 den Amiga-Markt aufgewirbelt hatte und bis heute zu den besten Adventures für diese Plattform zählt. Simons zweites Abenteuer blieb nach der Abwanderung des Herstellers Adventuresoft dem PC vorbehalten - bis zur World of Amiga 2000 in Köln, auf der die Endversion von Simon the Sorceror 2 präsentiert wurde.

Simon 2 - Titel

Die Premiere

Foundation-Vater Paul Burkey selbst, der zusammen mit Peter Mulholland für die schwierige Portierung auf Mac und Amiga verantwortlich zeichnete, reiste anlässlich der Verkaufspremiere zur World of Amiga 2000 nach Köln und gesellte sich an den Stand von e.p.i.c. interactive. Zusammen mit Thomas Steiding präsentierte er (zurecht stolz) das Ergebnis einer monatelangen Tortur, bei der man mit inkompatiblen Grafik- und Sound-Formaten, steifen x86-Assembler-Routinen und schwierigen Lizenz-Verhandlungen mit dem Hersteller des Originals kämpfen musste. Bleibt zu hoffen, dass sich dieser Kampf nicht nur moralisch, sondern auch finanziell gelohnt hat, zumal der (kleine) Amiga noch vor dem (großen) Mac mit Simon the Sorceror 2 beschenkt wurde.

Die Story

Gerne erinnern wir uns zurück an die ersten wackeligen Schritte des unerfahrenen Zauberlehrlings Simon, der mit seiner viel zu groß geratenen Zaubermütze nur für Schmunzeln sorgt. Simon wünscht sich nichts mehr, als eines Tages zum großen Magier aufzusteigen. Und der Tag soll in nicht allzu weiter Ferne liegen: Simons Lehrmeister Calypso (der im Übrigen nicht weniger peinliche Kleidung trägt wie Simon) wird vom Oberbösewicht-Magier Sordid entführt und in dessen unwirtliche Festung verschleppt. Freundliche und weniger freundliche Bekanntschaften mit verzauberten Schweine-Frauen, garstigen Kobolden, schnarchenden Riesen und Brettspiel-fanatischen Dämonen helfen Simon in seinem ersten Abenteuer schließlich bei der Befreiung von Calypso und der Beförderung von Dickwanst Sordid in den todbringenden Lava-See eines Freizeitparks.

Doch Sordid wäre kein richtig böser Bösewicht, wenn er nicht in guter LeChuck-Monkey-Island-Manier auf Rache sinnen würde und seinen neuen Lieblings-Todfeind Simon an die Gurgel gehen möchte. Zu dumm nur, dass man als Geist auf naive Zauberlehrlinge angewiesen ist - so verlockt Sordid den armen Runt zu Schandtaten auf seine Kosten: Simon soll in einem magischen Transportmittel, einem schlichten Kleiderschrank, zu Sordids neuer Todesfestung befördert werden. Offenbar hatte unbemerkt ein gigantischer Software-Hersteller Hand an den Schrank gelegt, und so landet das verbuggte Transportmittel samt verwirrtem Inhalt auf halbem Wege zur Todesfestung mitten in einer Kleinstadt - welch Zufall - vor dem Haus von Calypso. Simon hat nun die Aufgabe, mit neuem Treibstoff der Marke BedFull ("BedFull verleiht selbst Schränken Flügel") den nervigen Scharlatanen Sordids zu entkommen und einmal mehr sich selbst und die Welt aus den fiesen Grapschhänden des Geister-Magiers zu befreien.

Diese nette Vorgeschichte wird im mehrminütigen Intro erzählt, das im Simon-typischen Stil viel Humor aufweist und Anspielungen parat hat. Während der Vorstellung der Entwickler legt sich Simon beispielsweise mit seinem verzauberten Besenknecht an, dem es stinkt, die Fernsehbedienung für seinen Herrn und Gebieter zu spielen und ihn dafür mit einer leckeren Nachspeise belohnt.

Simon 2 - Stadt

Auf seiner Reise zum (vorerst) letzten Gefecht mit Sordid gelangt Simon zu tollen Schauplätzen wie rauhe Piratenschiffe, einsame Inseln, lustige Schlösser oder furchterregende Festungen und trifft gute, alte Bekannte wie den schnuckeligen Sumpfling - wohl bekomme der köstliche Sumpfling-Eintopf!

Die Umsetzung

Simon 2 spielt sich trotz der vergleichsweise kleinen Auflösung von 320x200 Pixeln äußerst angenehm, zumal die Spielfiguren und Schauplätze sehr putzig, farbenfroh und detailliert gezeichnet und animiert wurden. Grafik und Sound fügen sich so nahtlos in die humorvolle Geschichte ein und verdichten die von Anfang an reiche Atmosphäre.

Apropos Sound: Hintergrundmusik wird in Simon 2 leider schmerzlich vermisst, da die Musikstücke, die für die Portierung zur Verfügung standen, bislang nicht in Amiga-lesbare Daten umgewandelt werden konnten. Sollten die Daten im Zuge der Simon-Portierung auf die Mac-Plattform noch umgewandelt werden können, so können diese Musikstücke später auf der Support-Website heruntergeladen werden. Immerhin funktioniert die (leider nur englische, aber hochwertige) Sprachausgabe und die Ausgabe von Soundeffekten. Im Spiel werden auf Wunsch zusätzlich oder ausschließlich deutsche Untertitel eingeblendet.

So sind Objekte, die verstreut in der Gegend liegen und von Bedeutung sind, besser ersichtlich - sobald der Cursor im oberen Bildschirmbereich, in der sich die Handlungen abspielen, über einen Gegenstand fährt, wird dieser beschrieben. Im unteren Bildschirmbereich wurden das Inventar-Verzeichnis und die revolutionären, acht Befehle untergebracht, die nicht mehr mit Texten, sondern mit hübschen Icons dargestellt werden. Damit können Sie Gegenstände anschauen, aufheben, ziehen und drücken, anziehen oder mit einem anderen Gegenstand kombinieren - oder Sie starren eine Person an und fragen ihr Löcher in den Bauch.

Das Fazit

Die lange Wartezeit auf Simon 2 hat sich gelohnt! Ob wir jemals Simon the Sorceror 3D zu Gesicht bekommen werden, hängt ausnahmsweise nicht von den (Amiga-)Verkaufszahlen des zweiten Teils ab, sondern von Adventuresoft selbst, die erwägen, aufgrund der schlechten Vorabkritiken den dritten Teil ganz zurückzuziehen. Immerhin ist Simon 2 eines der letzten guten "Point & Click" Adventures, während die meisten Spiele-Hersteller auf den eigentlich hoffnungslos überfüllten Action-Zug aufspringen und die kniffligen Abenteuer-Rätsel alter Tage verdrängen.

Simon the Sorceror 2 drängt sich durch die niedrigen Systemanforderungen und die geniale Mischung aus erstklassiger Umsetzung (abgesehen von der fehlenden Musik-Unterstützung), spritziger Story, liebevoller Grafik und hochkarätigem Humor allen Amiganern auf: Hier reiht sich ein Gag an den anderen!

sehr gut

© 1998-2001 thomas raukamp communications.
All rights reserved. Webmaster: Nico Barbat.